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Selbstbestimmt leben

Jennifer Westbomke arbeitet als Sozialarbeiterin im Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) in Köln. Dort führt sie bis zu 100 Beratungsgespräche pro Jahr – nach dem Prinzip des Peer Counseling.

Faru Westbomke lächelt in die Kamera.
Sie habe eine typische „Behindertenbiographie“, sagt die 30-Jährige.

Jennifer Westbomke liebt ihren Job, denn sie unterstützt Menschen mit Behinderung bei deren Wunsch nach Unabhängigkeit. Sie selbst sitzt im Rollstuhl. Ihre Tetraspastik hat eine unkontrollierte Muskelspannung in den Beinen und eine Störung des Gleichgewichts zur Folge. Außerdem ist die Feinmotorik ihrer Hände beeinträchtigt. Zum Ausgleich ihrer Behinderung wird sie ganztägig von einer Assistentin unterstützt.

Sie habe eine typische „Behindertenbiographie“, sagt die 30-Jährige. Nach dem Förderkindergarten, besuchte sie die LVR-Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung in Köln und das Internat. Heute lebt Westbomke selbstständig und selbstbestimmt.

Frau Westbomke sitzt an ihrem Schreibtisch.
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Dass die Beratungen auf Augenhöhe parteilich, emanzipatorisch und ganzheitlich erfolgen, ist für Westbomke ein zentrales Qualitätskriterium des Peer Counseling.

Qualifikation plus Erfahrung
Sie hat an der Fachhochschule „Soziale Arbeit“ studiert und mit einem Schulfreund eine Wohngemeinschaft gegründet. In der Beratung verbindet sie daher ihre sozialpädagogische Qualifikation mit der eigenen Erfahrung. „Nach der Beratung kennen die Leute nicht nur ihre Wahlmöglichkeiten, sondern sie sehen an mir als praktischem Beispiel, dass es funktionieren kann.“ Viele Ratsuchende kommen auf Empfehlung von anderen Klientinnen oder Klienten. Auch weil „Selbstbestimmung“ im Namen der Beratungsstelle auftaucht, denn Unabhängigkeit und ein selbstbestimmtes Leben sind besonders häufige Wünsche.

Der Fall einer jungen Frau begleitet die Sozialarbeiterin seit längerer Zeit. Die Klientin war mit Mitte 20 aus dem Elternhaus in eine stationäre Wohnform umgezogen. Glücklich war sie damit nicht. Ihr fehlte es an individueller Unterstützung. Westbomke hat sie in der stationären Einrichtung besucht und gemeinsam mit ihr den großen Wunsch nach Selbstbestimmung und Teilhabe in kleinere, machbare Schritte zerlegt. Heute lebt die junge Frau in der eigenen Wohnung und bekommt vom LVR ambulante Wohnunterstützung. Seit kurzem strebt sie ein Studium an - ein langjähriger Wunsch, den sie erst durch das gestiegende Selbstvertrauen im eigenständigen Wohnen und nach dem Erfahrungsaustausch mit ihrer Peer-Beraterin angehen konnte.

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„Nach der Beratung kennen die Leute nicht nur ihre Wahlmöglichkeiten, sondern sie sehen an mir, dass es funktionieren kann.“

Jennifer Westbomke

Beratungskompetenz weitergeben
Das Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) organisiert auch die Fortbildung der Peer Counselor. Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen werden in mehreren Modulen qualifiziert für ihre Tätigkeit als Beraterinnen und Berater. Sie erhalten Grundkenntnisse, spielen mögliche Gesprächssituationen durch, trainieren mögliche Kommunikationsmethoden und reflektieren den Umgang mit der eigenen Behinderung. Dabei spielen die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und die Grundthesen der Selbstbesimmt-Leben-Bewegung – wie Gleichberechtigung und Parteilichkeit – eine wichtige Rolle. Durch die Fortbildung zum Peer Counseler erhalten mehr Menschen mit Behinderung Beratungskompetenzen und somit die Fähigkeit, sich gegenseitig zu unterstützen. Dass die Beratungen auf Augenhöhe parteilich, emanzipatorisch und ganzheitlich erfolgen, ist für Westbomke und ihren Kollegen ein zentrales Qualitätskriterium des Konzepts Peer Counseling.

Manchmal ist allerdings auch Jennifer Westbomke überfragt. So wie kürzlich bei einem Informationswunsch zum selbstbestimmten Sterben. Damit hat Westbomke sich noch nicht beschäftigt. Sie kümmert sich lieber um das Leben.

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