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Die Provinz als Kommunalverband

Das Landeshaus in Düsseldorf
Sitz der Provinzialverwaltung war das Landeshaus am Düsseldorfer Rheinufer. Nach dem Krieg diente es jahrzehntelang als Staatskanzlei des Ministerpräsidenten. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf.

Neue Provinzialordnung

1887 trat eine neue Provinzialordnung in Kraft, Grundlage einer staatlich unabhängigen, demokratischen Regionalverwaltung. Statt der ständischen Vertretung bildeten nun Abgeordnete den Kommunalverband, die – jeweils nach Einwohnerzahl gewählt – von den 13 Stadt- und 83 Landkreisen für sechs Jahre zur „Provinz“ entsandt wurden.

Stetige Aufgabenerweiterung

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte sich nicht nur die Konstitution, sondern auch das Aufgabenfeld der regionalen Selbstverwaltung so ausgeprägt, wie sie bis heute für den Landschaftsverband Rheinland gelten. Kurz nach 1850 hatte der Provinzialverband der Rheinlande das „Taubstummenwesen“ und die „Blindenfürsorge“ übernommen, außerdem die Verwaltung der Staats- und Bezirksstraßen, der Provinzial-Feuerversicherung und der Provinzial-Hilfskasse, der späteren Landesbank der Rheinprovinz. Die „Dotationsgesetze“ von 1873 und 1875 erweiterten noch einmal den Aufgabenkatalog: Zwei Provinzialmuseen wurden in Bonn und Trier errichtet; seit 1891 gab es für Inventarisation und Denkmalschutz den Provinzialkonservator. Die „Zwangserziehung verwahrloster Kinder“ kam dazu; das „Irrenwesen“ wurde reformiert.

Heil- und Pflegeanstalten für das Rheinland

1865 hatte der Landtag beschlossen, die Siegburger Irrenanstalt zu schließen und in jedem Regierungsbezirk eine neue Heil- und Pflegeanstalt für jeweils 200 bis 300 Kranke zu bauen (Merzig, Andernach, Bonn, Düren und Düsseldorf-Grafenberg). Da die Plätze schon bald nicht mehr ausreichten, fiel 1885 die Entscheidung zum Bau der Anstalten in Langenfeld und Viersen-Süchteln; die letzte und mit 1.000 Plätzen größte Heil- und Pflegeanstalt wurde 1908 in Bedburg-Hau bei Kleve errichtet. In dieser Zeit entstanden auch die vier Provinzial-Erziehungsheime für Jungen (Krefeld-Fichtenhain, Dansweiler bei Köln, Solingen und Euskirchen).

Neukonstitution in der Weimarer Republik

Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der Provinzialverband die Kriegsopferfürsorge. 1920 konstituierte sich der Provinziallandtag nach neuem Wahlrecht: Die Abgeordneten wurden als Vertreter der Bevölkerung für jeweils vier Jahre in gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl direkt gewählt. In den Jahren bis 1933 erlebte die landschaftliche Selbstverwaltung eine Blütezeit.

Unterwerfung unter das NS-Regime

Nach der Machteroberung der Nationalsozialisten wurde der Provinziallandtag aufgelöst und die Verwaltung des Verbands dem NS-Regime unterworfen. In der Folge waren unter anderem die Heil- und Pflegeanstalten des Provinzialverbands Schauplätze systematischer Verbrechen. Tausende ihrer Patientinnen und Patienten wurden bis 1945 ermordet.

mehr zur Psychiatriegeschichte im Rheinland während der NS-Zeit

Aufarbeitung der NS-Zeit im LVR

Aufgrund seiner historischen Verantwortung sieht sich der LVR in einer besonderen Verpflichtung, seine Geschichte und insbesondere die des Rheinischen Provinzialverbands angemessen aufzuarbeiten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass vergangenes Unrecht in Vergessenheit gerät.

Mit der Aufarbeitung des in der NS-Zeit geschehenen Unrechts in den Einrichtungen des Provinzialverbands beschäftigt sich der LVR seit den 1980er Jahren. Einen Überblick über diese Bemühungen bietet die Broschüre „Der LVR stellt sich seiner Geschichte ( PDF, 815 kB ) “.

Die Broschüre wurde anlässlich der Buchveröffentlichung „Verwaltungsdienst, Gesellschaftspolitik und Vergangenheitsbewältigung nach 1945 – Udo Klausa, Direktor des Landschaftsverbands Rheinland (1954–1975)“ [Autoren: Uwe Kaminsky/Thomas Roth; Metropol-Verlag 2016] aufgelegt, die das Verhältnis des ersten Landesdirektors des LVR zum NS-Gedankengut und zur NS-Vergangenheit sowie sein dienstliches Handeln in Personalpolitik, Jugendhilfe, Psychiatrie und Kulturpflege von 1954 bis 1975 untersucht (vgl. die Pressemitteilung des LVR vom 31.10.2016 „Auseinandersetzung mit eigener Geschichte bleibt weiter Thema“).