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Pressemeldung

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Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe"

Ausgabe Juni 2024

1. Aus der Gesetzgebung des Bundes

Besserer Schutz von Minderjährigen bei Auslandsehen

Der Bundestag hat am 7. Juni 2024 das Gesetz zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Auslandsehen in der Fassung des Rechtsausschusses beschlossen.

Die Änderungen des Gesetzes sind notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr entschieden hatte, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen aus dem Jahr 2017 nicht grundgesetzkonform ist.

Das Gesetz sieht vor, dass im Ausland geschlossene Ehen, bei denen mindestens ein Partner zum Zeitpunkt der Heirat unter 16 Jahre alt war, weiterhin automatisch unwirksam sind. Neu geregelt werden nun aber Unterhaltsansprüche, welche die minderjährigen Ehepartner gegen den Partner geltend machen können. Zudem wird die Möglichkeit einer erneuten Eheschließung zur Legalisierung der Ehe unter Verzicht auf das Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses eingeräumt. Die erneute Eheschließung würde aufgrund ihres bestätigenden Charakters grundsätzlich Rückwirkung auf den Tag der unwirksamen Eheschließung entfalten.

Gesetz zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Auslandsehen

Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft

Das Bundeskabinett hat am 12. Juni 2024 den vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Gesetzentwurf zur Verhinderung von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen beschlossen.

Missbräuchliche Anerkennungen der Vaterschaft, mit denen Aufenthaltstitel erschlichen werden sollen, sollen künftig wirksamer verhindern werden. In allen Fällen, in denen durch die Anerkennung der Vaterschaft ein neues Aufenthaltsrecht geschaffen werden kann und das Kind nicht leiblich vom Anerkennenden abstammt, wird eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft zukünftig die Zustimmung der Ausländerbehörde erfordern. Dies soll von den Standesämtern kontrolliert werden.

Weiterhin enthält der Gesetzentwurf neue (widerlegbare) Vermutungstatbestände, die für oder gegen einen möglichen Missbrauch sprechen, damit eine Entscheidung zukünftig schneller ergehen kann. Zusätzlich sollen Fälle missbräuchlicher Anerkennung zukünftig strafbar sein.

Gesetzentwurf zur Verhinderung von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen

Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Das Bundeskabinett hat am 19. Juni 2024 das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen beschlossen.

Mit dem Gesetz soll der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch verbesset werden. Durch eine als Unabhängige Bundesbeauftragte oder Unabhängigen Bundesbeauftragten gewählte Person und eine Unabhängige Aufarbeitungskommission sollen Strukturen geschaffen und gestärkt werden, die zukünftig regelmäßig über das Ausmaß sexuellen Kindesmissbrauchs und den aktuellen Stand zu Schutz, Hilfen, Forschung und Aufarbeitung in Deutschland berichten sollen. Zudem soll ein Beratungssystem bereitgestellt werden, an das sich Betroffene wenden können.

In der Kinder- und Jugendhilfe sollen Akteneinsichts- und Auskunftsrechte angepasst werden. Das Gesetz sieht auch Änderungen im Sozialgesetzbuch VIII sowie im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) vor.

Das Gesetz wird im Bundesrat und im Anschluss im Bundestag beraten.

Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

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2. Rechtsprechung

Unterbringung des Kindes bei der Großmutter

Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 27. Mai 2024

Az. 6 UF 86/24

Die Eltern von zwei Jahre und neun Monate alten Kinder sind nicht miteinander verheiratet und üben die Sorge aufgrund übereinstimmender Sorgeerklärung gemeinsam aus. Der Vater ist syrischer Staatsangehöriger, die Mutter ist thailändische Staatsangehörige. Die Mutter leidet unter einer Borderline-Störung und steht unter gesetzlicher Betreuung unter anderem für die Aufgabenkreise Gesundheits- und Vermögenssorge.

Sie hat einen weiteren Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung, der in Verwandtenpflege über das Jugendamt bei der Großmutter väterlicherseits lebt. Aufgrund von erheblichen Schwierigkeiten in Bezug auf die Versorgung und Erziehung der Kinder, sowie die Haushaltsführung insgesamt, wechselte das neun Monate alte Kind (M) in den Haushalt der Großmutter. Am 11. März 2024 meldeten die eingesetzten Fachkräfte auch hier eine Gefährdung des Kindeswohls und nahmen M in Obhut.

In einem anschließenden Gerichtsverfahren sah das Amtsgericht von Maßnahmen gemäß § 1666 BGB ab. M war im Haushalt der Großmutter verblieben. Gegen diesen Beschluss wendet sich das Jugendamt mit der vorliegenden Beschwerde. Zudem beantragt das Jugendamt den angefochtenen Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen.

Die Beschwerde des Jugendamtes wird als unbegründet zurückgewiesen.

Das körperliche, geistige und seelische Wohl des betroffenen Kindes sei bei einer Betreuung und Versorgung durch die Eltern zwar konkret gefährdet. Die Art und Weise der Gefährdung mache auch eine Trennung des Kindes von den Eltern erforderlich, weil der Gefahr nicht vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache durch andere öffentliche Hilfen begegnet werden könne. Der einstweilige – teilweise – Entzug des Sorgerechts für M. sei dennoch nicht nach den §§ 1666, 1666a BGB, § 49 FamFG gerechtfertigt, weil die Gefahr durch die von den Eltern unterstützte Unterbringung des Kindes im Haushalt der Großmutter väterlicherseits abgewendet werden kann.

Ist eine konkrete Kindeswohlgefährdung festgestellt, dürfe gemäß § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB die räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Dabei sei grundsätzlich im Rahmen der Prüfung milderer Mittel die Haltung der Eltern bedeutsam. Die Notwendigkeit einer (vorübergehenden) Fremdunterbringung eines Kindes allein erfordere nicht zwangsläufig den Sorgerechtsentzug. Auch im Falle einer anzunehmenden Gefährdung des Kindeswohls würden sämtliche Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Sie müssen nicht nur geeignet und erforderlich zur Erreichung des verfolgten Zwecks sein, sondern der mit ihnen verbundene Grundrechtseingriff muss auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem andernfalls zu erwartenden Schadenseintritt stehen. Ein gegenüber dem Entzug der elterlichen Sorge milderes Mittel könne dabei auch eine von den sorgeberechtigten Eltern für den Fall einer Trennung des Kindes von den Eltern gewünschte Unterbringung bei Verwandten sein, wenn diese zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet ist, was hier der Fall ist.

Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt

Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII bei unbegleiteter Einreise

Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 29. April 2024

Az. 4 B 368/24

Ein unbegleitet eingereister minderjähriger Ausländer wurde durch das Jugendamt der Antragstellerin vorläufig in Obhut genommen. Nachdem die Minderjährigkeit festgestellt worden war, erfolgte durch die zuständige Landesstelle innerhalb einer Woche die Zuweisung an das Jugendamt des Antragsgegners zur Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII.

Als die Antragstellerin den Minderjährigen etwa zwei Monate später an das Jugendamt des Antragsgegners übergeben wollte, verweigerte dies die Übernahme mit der Begründung, die Monatsfrist nach § 42b Absatz 4 Nr. 4 SGB VIII sei bereits abgelaufen und zudem seien keine freien Plätze vorhanden.

Daraufhin erhob die Antragstellerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Stade, mit der sie die Verpflichtung des Antragsgegners begehrte, den Minderjährigen gemäß dem Zuweisungsbescheid zu übernehmen. Zugleich stellte sie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.

Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz hat Erfolg. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antragsgegner aufgrund der bestandskräftigen Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesstelle zur Übernahme verpflichtet. Ein Ausschlussgrund aufgrund der Monatsfrist nach § 42b Absatz 4 Nr. 4 SGB VIII liege nicht vor, da das Verteilungsverfahren bereits mit dem Erlass der Zuweisungsentscheidung durchgeführt sei und nicht erst mit der tatsächlichen Übergabe des Minderjährigen. Somit sei die Frist des § 42b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII hier eingehalten worden.

Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade

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3. Publikationen

Aktualisierung der Pocketbroschüre „Was Jugendämter leisten: Teilhabe ermöglichen“

Seit dem Inkrafttreten der zweiten Stufe des Bundesteilhabegesetzes sind alle Rehabilitationsträger gemäß § 12 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, geeignete barrierefreie Informationsangebote zur Verfügung zu stellen und zu vermitteln. Diese sollen die Inhalte und Ziele von Leistungen zur Teilhabe, die Möglichkeit der Leistungsausführung als Persönliches Budget, das Verfahren zur Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen und Angebote der Beratung, einschließlich der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung, darstellen.

Die Jugendämter sind im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII verpflichtet, ein solches Informationsangebot bereit zu halten. Deshalb hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter den Jugendämtern im Jahr 2021 eine entsprechende Informationsbroschüre zur Verfügung gestellt, die zwischenzeitlich aktualisiert und um das Beratungsangebot durch die Verfahrenslotsinnen und Verfahrenslotsen ergänzt wurde. Die Broschüre richtet sich an Eltern, junge Menschen und andere Interessierte, die Auskünfte über die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII suchen.

Pocketbroschüre „Was Jugendämter leisten: Teilhabe ermöglichen“

Verfahrenslotsen und Teilhabeberatung

Der Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. hat eine vergleichende Veröffentlichung herausgegeben, die die Aufgaben der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) und der Verfahrenslotsinnen und – lotsen beschreibt und Vernetzungsmöglichkeiten aufzeigt, um möglichst effektiv im Sinne der Betroffenen zu agieren.

Es werden rechtliche, fachliche und organisatorische Rahmenbedingungen der Verfahrenslotsen und der EUTB einzeln vorgestellt und bezüglich der Verfahrenslotsen erste Umsetzungsempfehlungen präsentiert.

vergleichende Veröffentlichung des Bundesverbands für Erziehungshilfe e.V.

Kinder- und Jugendhilfe in der Krise

Die internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen hat eine Publikation zur Frage der Rechtmäßigkeit pauschaler Standardabsenkungen bei (vorläufiger) Inobhutnahme und Hilfegewährung für geflüchtete unbegleitete Minderjährige veröffentlicht.

Der Beitrag zeigt die rechtlichen Grenzen einer Standardabsenkung bei Kapazitätsengpässen auf und überprüft diese auf ihre Vereinbarkeit mit den rechtlichen Grundsätzen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass grundsätzliche Standardabsenkungen bei der Unterbringung von und Hilfeleistungen an unbegleitete Minderjährige Ausländer, die im Wege von Ländererlassen durchgesetzt werden sollen, nicht mit geltendem Recht im Einklang stehen.

Publikation zur Frage der Rechtmäßigkeit pauschaler Standardabsenkungen bei (vorläufiger) Inobhutnahme und Hilfegewährung für geflüchtete unbegleitete Minderjährige

Rechtliche Aspekte der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat eine Publikation zu Rechtsfragen, die sich regelmäßig in Aufarbeitungsprozessen stellen, herausgegeben. Beispielsweise werden Fragen zur Absicherung einer unabhängigen Aufarbeitung, zum Persönlichkeits- und Äußerungsrecht, zum Datenschutz oder Fragen zu Zugang zu Akten und Archiven behandelt. Zudem werden rechtliche Herausforderungen und Hemmnisse in Aufarbeitungsprozessen dargestellt.

Rechtliche Aspekte der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

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4. Aktuelles

Verkaufsverbot von Lachgas an Minderjährige

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat beschlossen, eine Petition, die fordert, den Verkauf von Lachgas an Personen unter 18 Jahren gesetzlich zu verbieten, an die Bundesregierung zu überweisen.

Beim Konsum von Lachgas könnten Langzeitschäden wie beispielsweise eine geminderte Hirnentwicklung entstehen. Wird Lachgas in der Medizin als Arzneimittel eingesetzt, so unterliege es der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Einem missbräuchlichen Einsatz zu Rauschzwecken müsse durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit und das angeregte Verkaufsverbot entgegengewirkt werden.

Kurzmeldung des Deutschen Bundestags

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Der Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe" ist ein kostenloser Service des Landschaftsverbandes Rheinland, LVR-Dezernat Jugend, 50663 Köln.

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