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Pressemeldung

Fachstelle mirai: Auszeit mit Mehrwert

Wie gelingt es, psychisch oder suchterkrankte (werdende) Eltern und insbesondere deren Kinder möglichst frühzeitig zu erreichen? Mit einem ebenso fürsorglichen wie niedrigschwelligen Konzept nimmt die Fachstelle mirai diese Herausforderung an. Ihr Ziel ist es, Heranwachsende mit eigenen sowie vermittelten Unterstützungsangeboten für ihren späteren Lebensweg und eventuelle Krisen zu stärken.

Übersicht über die Fachstelle Mirai
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Von Natalie Deissler-Hesse, LVR-Landesjugendamt

Wer kann meinem Kind bei den Mathehausaufgaben helfen? Merkt mein Kind, dass es mir nicht gut geht? Ein schwieriges Gespräch mit dem Arbeitgeber steht bevor. Wo lasse ich in der Zeit mein Kind? Tanjas quälende Grübeleien kreisen meist darum, wie sie den Alltag meistern soll. Zugleich hemmt ihr Gedankenkarussell sie dabei, Aufgaben anzugehen. Die psychisch erkrankte junge Mutter wünscht sich sehnlichst eine kurze Auszeit. Durch einen Tapetenwechsel mit neuen Gesichtern und Ideen könnte sie Klarheit im Kopf schaffen und ihre Gedanken und Gefühle sortieren.

Mütter wie Tanja finden für eine solche Auszeit Raum und Unterstützung bei der Fachstelle mirai (Japanisch für Zukunft). Auf Kinder und Jugendliche von psychisch kranken und /oder suchtkranken Eltern ausgerichtet, entlastet sie mit ihren Angeboten die betroffenen Familien. Speziell für Kleinkinder bis fünf Jahre und deren Eltern konzipiert ist das Format "mirai –Baby und Kids". Es beinhaltet einmal wöchentlich eine angeleitete Eltern-Kind-Spielgruppe mit Frühstück und individueller Beratung auf Wunsch.

Fürsorge ist spürbar

Wer sich nicht von den vielen großen Bürogebäuden beirren lässt, findet mitten im Kölner Gereonsviertel eine von außen nicht erahnbare Wohlfühloase. Das Haus der Cornelius-Stiftung beherbergt zeitlich begrenzt Mütter mit Kind(ern) sowie Schwangere mit akuter Suchterkrankung. Darüber hinaus bietet es begleitende Unterstützung durch Fachkräfte der Sucht- und Jugendhilfe. In der ersten Etage sind auch die Räumlichkeiten von mirai angesiedelt. Die hellen, mit viel Sorgfalt gestalteten Zimmer lassen den Alltag für einen Moment vergessen: Bunte Spielecken wollen entdeckt werden, ein kleiner Garten lädt im Sommer zum Verweilen ein. Damit stellt die Fachstelle den von Sucht oder psychischen Erkrankungen belasteten Familien einen sicheren Schon- und Schutzraum bereit.

Beim Angebot "mirai – Baby und Kids" begleitet eine Fachkraft die Eltern beim Spielen mit ihren Kindern, singt mit ihnen oder macht Fingerspiele. "Mein Kind taut hier auf und fühlt sich wohl", freut sich eine Mutter. Beim anschließenden gemeinsamen Frühstück in freundlicher, wertschätzender Atmosphäre können die Mütter Sorgen und Nöte aussprechen oder nach Hilfen zur Alltagsbewältigung fragen. Sie bestimmen selbst, ob und in welchem Umfang sie das breite Unterstützungs- und Vermittlungsangebot von mirai nutzen möchten. Aber auch ohne spezifische Beratung verschaffen Zusammenkommen und Austausch mit anderen Eltern in ähnlichen Situationen Erleichterung. "Das Wiedererkennen wirkt entlastend. Die Mütter und Väter merken, dass sie mit Sorgen und Überforderungsgefühlen nicht allein sind", erläutert Heidi Scheuermann vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. (SkF). Gemeinsam mit Barbara Müllejans vom Sozialdienst katholischer Männer e.V. (SKM), leitet sie die Fachstelle, die vom Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Köln gefördert wird. Umgesetzt wurde das Angebot "mirai – Baby und Kids" mit Hilfe einer Initialförderung des LVR-Landesjugendamtes Rheinland für Angebote, die sich an Kinder und Jugendliche mit psychisch und/oder suchterkrankten Eltern richten (KipE, KisE) sowie mit Mitteln der Corneliusstiftung.

"Noch früher, noch niedrigschwelliger"

Entscheiden sich die Mütter für eine Beratung, haben die mirai-Fachkräfte in einem Vorgespräch bereits herausgefunden, wo der Schuh drückt. Zum Wohlgefallen der Betroffenen gelingt dies, ohne eine kräftezehrende Diagnose zu stellen. Hier droht keine Gefahr – dieses Gefühl sollten Eltern idealerweise aus dem Erstkontakt mit mirai mitnehmen.

"Noch früher, noch niedrigschwelliger", so fasst Heidi Scheuermann das Konzept von mirai zusammen. Ließen sich die Betroffenen ins Hilfesystem aufnehmen, lösten sich deren Befürchtungen oftmals schnell auf. Doch wie gelingt es, dass die Betroffenen sich öffnen? Häufig lasse schon die ausgesprochene Feststellung "Sie wirken angestrengt auf mich", den Knoten platzen, berichtet Daniela Kube, die "mirai – Baby und Kids" als Fachkraft begleitet. "Dann versuchen wir, mit der Mutter ins Gespräch zu gehen, ohne Druck und mit Raum, offen über ihre Situation zu sprechen."

Die Fachkräfte sind darum bemüht, die oftmals belastete Interaktion zwischen Mutter und Kind zu verbessern. Durch "Lernen am Modell" könne die Mutter beispielsweise beobachten, auf welche Ansprache ihr Kind positiv reagiert und diese dann übernehmen, erläutert Daniela Kube. Bindungsunterstützende Entwicklungsschritte in der Eltern-Kind-Beziehung werden dann auf Wunsch in der Einzelberatung weiter vertieft. Auch telefonisch und per Mail ist die Fachstelle für die Eltern bei weiteren Fragen erreichbar.

Der kurze Weg zur Hilfe

Die Lotsenfunktion ist eine der wichtigsten Aufgaben der niedrigschwelligen Anlaufstelle. Einer Mutter, der es schwerfällt, mit ihrem fünfjährigen Kind in Kontakt zu gehen, vermittelt mirai beispielsweise Mutter-Kind-Angebote aus dem Unterstützungssystem. Aber auch zur Erleichterung des Alltags können nützliche Kontakte hergestellt werden. Die Möglichkeit einer Haushaltshilfe und der Hinweis auf eine geeignete Klinik mit ambulanter Therapie lassen eine Mutter aufatmen. "Genau das habe ich gebraucht", sagt sie erleichtert. Auch Fachkräfte, denen in ihrem Arbeitsfeld belastete Eltern begegnen, erhalten Beratung und Informationen.

Mirai fungiert als Nahtstelle zu weiteren Angeboten für sucht- und /oder psychisch belastete Familien. Die gute Vernetzung und enge Kooperation der Fachstelle mit weiteren Trägern in Köln, die in den Bereichen Sucht und/oder psychische Erkrankungen aktiv sind, erleichtern die Kontaktaufnahme der Betroffenen. Innerhalb der beiden Träger gehören beispielsweise Gruppen für Kinder und Jugendliche (MIKADO), Jugend-Suchtberatung (SKM), Schwangeren- und Kur-Beratung sowie Familienpaten (Laura und Laurenz) (SkF) zu den Angeboten, die über den kurzen Dienstweg vermittelt werden können.

Die Perspektive ist entscheidend

Eine werdende Mutter, die in der Schwangerschaft Suchtmittel eingenommen hat und von einem schlechten Gewissen geplagt wird, traut sich zum ersten Mal, ihre Sorgen auszusprechen: Damit leistet mirai einen Beitrag zur Enttabuisierung von Mutterschaft und Sucht – zunächst in geschütztem Raum. "Sucht in Kombination mit Elternschaft ist nach wie vor sehr schambehaftet", erläutert Heidi Scheuermann. "Nun reiß dich mal zusammen und hör mit dem Trinken auf!", bekommt eine alkoholabhängige Mutter oft zu hören. Mirai arbeitet daher intensiv daran, Themen wie beispielsweise "Schwangerschaft und Alkohol" durch Fortbildungen, Vorträge und Arbeitskreise auch in der Fachwelt zu enttabuisieren. Das heißt nicht, die damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Kinder zu ignorieren; vielmehr geht es darum, zu dem Thema mit Eltern ins Gespräch zu kommen. Wichtig sei deshalb, sucht- und /oder psychisch belastete Eltern nicht negativ in den Blick zu nehmen, betont Heidi Scheuermann. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen darüber aufklären." Ein hartes Stück Arbeit, das ist den mirai-Fachkräften klar. Bei "mirai – Baby und Kids" sind jedoch schon kleine Erfolge sichtbar: Wenn Mutter und Kind mit einem Lächeln nach Hause gehen.

Fachstelle mirai (SkF)