Sollte diese E-Mail nicht richtig dargestellt werden, klicken Sie bitte hier.
Bildtext
 
 
 
01. September 2020
Netzwerkkoordinierende - Allrounder mit hoher Sozialkompetenz
In Stellenbeschreibungen werden bei einem relativ weit gefassten Wunschprofil hohe Anforderungen an Kommunale Koordinationsfachkräfte gestellt. Doch wie bewerten sie selbst ihre Vernetzungs- und Koordinierungsfunktionen? Die praxisnahen Qualifizierungskurse der Landesjugendämter Rheinland (LVR) und Westfalen (LWL) unterstützen bei der Rollenbestimmung.

Von Natalie Deissler-Hesse

Eierlegende Wollmilchsau! Das schießt einem beim Lesen der Stellenausschreibung "Netzwerkkoordinator/-in für Kommunale Präventionsketten" durch den Kopf. Hier werden Generalist*innen mit umfangreichen Expertenwissen und zugleich Spezialist*innen gesucht, die immer das Große Ganze im Blick haben. Hinzu kommen noch Persönlichkeitsmerkmale von "strategischem Geschick" bis hin zu "hoher Kreativität und Kommunikationsfähigkeit", über die Netzwerkkoordinierende "zwingend" verfügen sollten. Bei den sogenannten Soft Skills dürfen ausgeprägte Konfliktlösungskompetenz, Verhandlungsgeschick und Innovationsfreude nicht fehlen, fungieren Netzwerkkoordinierende doch als Vermittler zwischen unterschiedlichen Institutionen. Doch wie bewerten die Stelleninhaber selbst ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten? Welche Unterstützung benötigen sie, um einen guten Job zu machen?

Viele Fäden in einer Hand

Die Rolle der Netzwerkkoordinierenden ist mit einer Fülle von Aufgaben bedacht, die parallel am Laufen gehalten werden müssen, z.B. verschiedene Akteursgruppen beraten, Fachveranstaltungen betreuen, Netzwerke aufbauen, Bedarfe ermitteln, Konzepte entwickeln, evaluieren, Angebote koordinieren, Öffentlichkeitsarbeit u.s.w. Auf die Kompetenzen bezogen bedeutet das: Für Wissenstransfer und Transparenz sorgen, Ziele vermitteln, argumentieren und aktivieren, Schwierigkeiten überwinden und Zweifler überzeugen. "Manchmal komme ich mir vor, als würde ich in mehreren Theaterstücken gleichzeitig spielen," stellt eine Fachkraft fest. Zudem sei nicht immer klar, "wo fängt meine Aufgabe an und wo hört sie auf", ergänzt eine Kollegin. Die Möglichkeiten, eine Prozessgestaltung auszuloten, werden unterschiedlich wahrgenommen: Während einige Verunsicherung äußern, begrüßen andere die Gestaltungsfreiheit.

Zwischen Aufgabenabgrenzung und Handlungsspielraum

"Viele ungeklärte Detailfragen" beunruhigen beispielsweise eine Koordinationsfachkraft. Aus ihrer Sicht besteht bei der fachlichen und strukturellen Verortung ihrer Stelle Klärungsbedarf. Handlungsspielraum kann indes als Vertrauensvorschuss von Seiten der Vorgesetzten gewertet werden: "Es füllt mich aus, einen klaren Auftrag, dabei aber viel Handlungsspielraum zu haben. Für mich bedeutet Koordination, in diesem Handlungsspielraum eigenständig zu agieren", betont eine andere Koordinationsfachkraft. Gibt es von den Beteiligten unterschiedliche Meinungen zur Abgrenzung der Aufgaben, ist eine Abklärung der Zuständigkeiten nötig. Dadurch erhöht sich die Würdigung eigener Leistungen bei anderen Akteuren. "Wenn für uns klar ist, was wir zu tun haben und wir dadurch selbstbewusster agieren, werden wir auch von anderen ernst genommen."

Erfolgsdruck belastet

Ein anspruchsvoller und vielseitiger Job ist kräftezehrend und führt leicht zu Stresssituationen. Eine Bildungskoordinatorin berichtet über den Erfolgsdruck, Kooperationspartner als Geldgeber überzeugen und gewinnen zu müssen. Sie schildert, wie zermürbend es sein kann, wenn Rückmeldungen auf sich warten lassen oder nach mühsam aufgebautem Vertrauen von Seiten potenzieller Kooperationspartner dann doch Skepsis geäußert wird. Ebenso groß wie die Enttäuschung ist aber auch die Erleichterung bei einer erfolgreichen Mission. "Wenn es dann zur Zusammenarbeit kommt, ist es eine Bestätigung für mich, dass ich alles richtiggemacht habe." Wie sehr der Erfolgsdruck auf Netzwerkkoordinierenden lastet, bringt eine Fachkraft so den Punkt: "Wenn es den Kindern schlecht geht, haben wir versagt, denn Kinder sind unsere Zukunft." Die Aussage macht deutlich, wie hoch die eigenen Ansprüche sind.

Neue Perspektiven, neue Lösungen

Wer den Aufbau einer Präventionskette vorantreiben will und dabei sei eigenes Süppchen kocht, ist zum Scheitern verurteilt. Denn, so scheint es, wer in einem Netzwerk agiert, ist auf das Wohlwollen seiner Partner*innen angewiesen. Doch was tun, wenn Kritik laut wird oder ein Vorhaben stockt? Der Austausch mit Kolleg*innen, insbesondere aus anderen Kommunen, bietet unterschiedliche Blickwinkel und bereichert durch Erfahrungen und Kompetenzen Anderer. "Den Austausch mit Kollegen und die kollegiale Beratung empfinde ich als unglaublich bereichernd", bestätigt eine Koordinationsfachkraft, "dabei lerne ich von anderen: was kann ich besser machen?". Die Perspektive einer Kollegin habe ihr bei einem Verhandlungsstillstand die Augen geöffnet. "Es hilft schon, wenn man weiß: ich bin nicht allein mit meinem Problem", ergänzt eine andere Fachkraft.

Die Qualifizierungskurse der Landesjugendämter versammeln einen bunten Mix aus Fachkräften, die für die Koordination von Netzwerken und Angebotslandschaften in kommunalen Ämtern verantwortlich sind. "Ich finde es gut und wichtig, dass die Fachkompetenz der Kollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen kommt. Die eine oder andere Rückmeldung hat dann einen Überraschungseffekt." Nicht nur unterschiedlichen Perspektiven, auch unterschiedliche Arbeitsweisen finden hier zusammen. "Für mich war es interessant zu erfahren, wie unterschiedlich Kommunen arbeiten", betätigt eine Fachkraft, "ich kann sagen, die Qualifizierung hat mein Selbstbewusstsein gestärkt."

Kurzer Draht in die Chefetage

Von entscheidender Bedeutung nicht nur für die Legitimation des eigenen Handelns ist der Rückhalt durch die Leitungsebene. Je stärker die Führungsetage daran interessiert ist, die Präventionskette voranzubringen, desto mehr Unterstützung erfahren die Netzwerkkoordinierenden. Wertschätzung von Seiten der Vorgesetzten empfinden sie als wichtigen Motivationsschub: "Dass mir meine Teamleiterin deutlich gemacht hat, wie wertvoll meine Stelle ist, hat mich unglaublich beflügelt", stellt eine Fachkraft fest, „"auch das Wissen, dass ihre Tür immer offen ist, gibt mir Zuversicht. Ich weiß, dass ich bei Problemen Hilfe und Rat von oben bekomme."

Auch wenn der Terminkalender der Vorgesetzten es kaum zulässt: ein kurzes Feedbackgespräch oder die gemeinsame Präsenz mit den Netzwerkkoordinierenden bei Veranstaltungen stärken das Vertrauensverhältnis und die Arbeitsmotivation. Demgegenüber kann Unverbindlichkeit von Seiten der Leitung stark verunsichernd wirken: "Ich habe mich nie gesehen gefühlt. Der Schock kam dann, als mein Chef sagte: Was machen Sie eigentlich genau?", berichtet eine Koordinatorin. Auch hier wirken die Qualifizierungskurse der Landesjugendämter vereinend: an einem Tag sind Leitungskräfte aus den Kommunen der Teilnehmenden zu einem gemeinsamen Fachgespräch geladen. "Anders als im Berufsalltag habe ich hier zum ersten Mal erfahren, wie sehr mein Chef für unser Projekt brennt", so eine Fachkraft, "das ist sehr wertvoll für mich." Eine Kollegin bekräftigt, dass ihre Teamleiterin sie im Qualifizierungskurs erstmals darin bestärkt habe, ihr "Anliegen noch lauter zu kommunizieren". Insgesamt wird die Anwesenheit der Leitungskräfte als große Wertschätzung gewertet.

Etappenziele würdigen

In einer Leistungsgesellschaft, in der uns oft vorgegeben wird, was wir als Erfolg zu werten haben, ist es eine Kunst, kleine Fortschritte in einem Prozess oder Verbesserungen in der Kommunikation als wichtige Meilensteine wahrzunehmen. Natürlich geht es am Ende um passende Unterstützungsangebote für Familien. Auf dem Weg dahin ist aber auch der Aufbau der Kooperation zwischen Ämtern und Trägern in einem funktionierenden Netzwerk ein wichtiger Erfolg. "Ich denke, wir müssen das Selbstbewusstsein haben, zu sagen: es müssen nicht alle Ziele erreicht werden", hält eine Fachkraft fest. "Wenn wir einer Handvoll Familien helfen konnten, ist das schon ein großer Erfolg." Eine Kollegin bestätigt: "Wir haben viele Steine ins Rollen gebracht innerhalb kürzester Zeit." Nicht jedem gelingt diese selbstbewusste und sich selbst wertschätzende Sichtweise. Eine gute Selbstfürsorge kann helfen, Rückschläge zu bewältigen und Erfolge zu nutzen, um Selbstverstrauen und Handlungsfähigkeit zu stärken.

Erfolge sichtbar machen, Nachhaltigkeit gewährleisten

Wer sich stark engagiert und mit seinen Aufgaben identifiziert, wünscht sich, dass zumindest die erreichten Erfolge wahrgenommen werden. "Wir sind sozusagen der Motor des Netzwerks", befindet eine Netzwerkkoordinierende. "Es wäre schön, wenn für alle Beteiligten sichtbar wird, was man da vorantreibt." Öffentlichkeitsarbeit hilft dabei, die Sichtbarkeit erreichter Ziele und Erfolge zu steigern. Dem großen Einsatz der Fachkräfte beim Aufbau von Präventionsstrukturen und -angeboten liegt aber auch der Wunsch zugrunde, möglichst nachhaltige Wirkungen zu erzeugen. "Die langfristige Gestaltungsperspektive ist mir sehr wichtig", betont eine Netzwerkkoordinierende.

Sind die Netzwerkstrukturen angelegt, unterstützt der Qualifizierungskurs die kommunalen Fachkräfte bei der Rollen- und Aufgabenklärung sowie der Koordinationstätigkeit. Ziel des praxisnahen Kurses ist es nicht nur, Impulse für die Weiterentwicklung der Netzwerkstrukturen in den Präventions- und Bildungslandschaften zu geben, sondern auch den Einsatz aller Beteiligten zu würdigen.

Über den LVR:

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) arbeitet als Kommunalverband mit rund 22.000 Beschäftigten für die 9,8 Millionen Menschen im Rheinland. Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 20 Museen und Kultureinrichtungen, vier Jugendhilfeeinrichtungen, dem Landesjugendamt sowie dem Verbund Heilpädagogischer Hilfen erfüllt er Aufgaben, die rheinlandweit wahrgenommen werden. Der LVR ist Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion in allen Lebensbereichen. „Qualität für Menschen“ ist sein Leitgedanke.

Die 13 kreisfreien Städte und die zwölf Kreise im Rheinland sowie die StädteRegion Aachen sind die Mitgliedskörperschaften des LVR. In der Landschaftsversammlung Rheinland gestalten gewählte Mitglieder aus den rheinischen Kommunen die Arbeit des Verbandes.

Ihr Profil / Abmeldung
Wir senden Ihnen E-Mails nur mit Ihrem Einverständnis zu. Hier können Sie Ihr Abonnement verwalten:
Profil bearbeiten
Abonnement beenden
Impressum
Landschaftsverband Rheinland
LVR-Koordinationsstelle Kinderarmut
Alexander Mavroudis
Natalie Deissler-Hesse
50663 Köln
kinderarmut@lvr.de
www.lvr.de
© 2024 Landschaftsverband Rheinland (LVR)