Landkreis darf mit der Verfassungsbeschwerde nicht die Rechte eines Kindes geltend machen
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Dezember 2020
Az. 1 BvR 1395/19
Eine Mutter zog im Mai 2016 mit ihrem zehnjährigen Kind zu ihrem Lebensgefährten. Ein Jahr zuvor war dieser wegen sexuellen Missbrauchs
zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden war. Im Januar 2018 erfuhr das Jugendamt von dem Einzug, nahm das Kind noch im selben Monat in Obhut und regte familiengerichtliche Maßnahmen nach § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Schutz des Kindes an.
Das Familiengericht ordnete im Mai 2018 daraufhin die Rückgabe des Kindes an die Mutter an. Das Oberlandesgericht entzog im August 2018 auf die Beschwerde des zuständigen Landkreises der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Bundesgerichtshof hob im Februar 2019 die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und wies das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurück. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei unverhältnismäßig, weil es an einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer ziemlichen Sicherheit des Schadenseintritts fehle. Es sollten mildere Maßnahmen getroffen werden. Das Oberlandesgericht ordnete sodann im Mai 2019 die Herausgabe des Kindes an die Mutter an und legte der Mutter und dem Lebensgefährten Weisungen auf.
Der Landkreis hat Verfassungsbeschwerde erhoben und beruft sich auf die Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 des Grundgesetzes (GG). Zudem macht er das Recht des Kindes auf Verletzung dessen Rechts staatlichen auf Schutz gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 2 GG geltend.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Landkreis sei nicht berechtigt, Rechte des Kindes geltend zu machen. Eine solche Prozessstandschaft sei nur ausnahmsweise zulässig, wenn die betroffenen Rechte sonst nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten. Sind Eltern eines Kindes nicht willens oder in der Lage eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, sei ein Ergänzungspfleger gem. § 1909 BGB oder ein Verfahrensbeistand gem. § 158 Familienverfahrensgesetz gerichtlich zu bestellen. Für eine Prozessstandschaft bestehe daher kein Raum.
Die Verletzung eigener Rechte des Landkreises sei ferner ausgeschlossen. Dem Landkreis fehle es schon an der Grundrechtsfähigkeit. Als juristische Person des öffentlichen Rechts ist er grundrechtsverpflichtet und nicht –berechtigt. Eine Ausnahme läge nicht vor. Darüber hinaus sei das Jugendamt durch seinen Schutzauftrag nicht auf eine eindeutige Interessenvertretung zugunsten des Kindes festgelegt; es unterstütze die gesamte Familie. Zum anderen ergebe sich aus dem Wächteramt des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 des GG nur eine Verpflichtung. Lediglich das Kind kann aus dem Wächteramt ein subjektives Recht herleiten.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Anhörung des Kindes im Sorgerechtsverfahren
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Mai 2020
Az. 1 BvR 663/19
Gegen die gerichtliche Entscheidung, der Mutter von zwei Kindern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, erhob der Vater Verfassungsbeschwerde. Das Kind war in dem Verfahren durch einen ersuchten Richter in Abwesenheit der Verfahrensbeiständin und danach nicht nochmal durch das Beschwerdegericht persönlich angehört worden. Dadurch sah sich der Vater in seinem Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Grundgesetzes (GG) verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verletzung des Elternrechts des Beschwerdeführers abgelehnt. Die Anhörung durch den ersuchten Richter im ersten Rechtszug und das Absehen von einer erneuten Anhörung sei gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 Familienverfahrensgesetzes (FamFG) zulässig gewesen, weil von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren könne abgesehen werden, wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt. Unschädlich sei auch, dass die Verfahrensbeiständin bei der Anhörung entgegen § 159 Absatz 4 Satz 3 des FamFG nicht dabei war. Die Norm vermittle ein Anwesenheitsrecht, nicht eine Anwesenheitspflicht und die Verfahrensbeiständin habe aus eigener Entscheidung darauf verzichtet.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlung gegen Umgangsbeschluss in der Pandemie
Oberlandesgericht Frankfurt a. M., Beschluss vom 08. Juli 2020
Az. 1 WF 102/20
Im August 2018 regelte das Familiengericht der getrennten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eines 10-jährigen Kindes den Kindesumgang. Nach dem Beschluss lebte das Kind bei der Mutter und dem Vater stand regelmäßiger Wochenend- und Ferienumgang zu. Im Falle einer schuldhaften Zuwiderhandlung konnte ein Ordnungsgeld angeordnet werden.
Die Mutter teilte dem Vater Ende März 2020 mit, dass sie seinen direkten Umgang mit dem Kind aussetze, weil in ihrem Haushalt Corona-Risikogruppen lebten. Die Großeltern der Mutter lebten im selben Haus, nicht aber in derselben Wohnung. Der Vater könne aber mit dem Kinde telefonieren oder es auf dem Balkon sehen.
Das Familiengericht ordnete auf Antrag des Vaters im Mai 2020 ein Ordnungsgeld gegen die Mutter wegen der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung an. Ein Umgang sei weiter zu ermöglichen, weil die Kontaktbeschränkung aufgrund des Infektionsschutzes Kontaktverbot nicht auf das Verhältnis von Kindern zu ihren außerhäuslich wohnenden Eltern anwendbar sei.
Die sofortige Beschwerde der Mutter hiergegen blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht hat sie als unbegründet zurückgewiesen, weil die Corona-Pandemie keine einseitige Abweichung von der familiengerichtlichen Umgangsregelung erlaube. Mit der Versagung des persönlichen Kontakts mit dem gemeinsamen Kind lägen die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 89 Familienverfahrensgesetz vor. Der Kontakt eines Kindes zur Kernfamilie sei nicht von den Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus erfasst und unterfalle als absolut notwendiges Minimum einem Ausnahmetatbestand.
Entscheidung des Oberlandsgerichts Frankfurt a. M.
Gewöhnlicher Aufenthalt während einer Untersuchungs- und Strafhaft
Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 15. Dezember 2020
Az. Au 3 K 18.1562
Seit 2006 lebte die allein sorgeberechtigte Mutter im Gebiet der Klägerin bis sie am 23. Oktober 2015 verhaftet wurde. Die Kinder erhielten daraufhin von der Klägerin Hilfe zur Erziehung. Die Mutter befand sich vom 23. Oktober 2015 bis zum 28. Oktober 2016 in Untersuchungshaft und bezog am 28. Oktober 2016 die Strafhaft im Bereich des Beklagten. Der Beklagte lehnte die durch die Klägerin im Jahr 2017 erbetene Fallübernahme ab.
Im September 2018 erhob die Klägerin Klage und beantragte den Beklagten zu verpflichten, die ihr seit dem 28. Oktober 2016 entstandenen Kosten nach § 89c SGB VIII zu erstatten. Der Beklagte sei ab diesem Zeitpunkt örtlich zuständig, denn die Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Strafhaft begründet. Eine Rückkehrmöglichkeit in die alte Wohnung habe allein aufgrund der im Februar 2016 erfolgten Zwangsräumung nicht mehr bestanden. Bereits in der Untersuchungshaft habe sie damit keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Bereich der Klägerin, sondern lediglich einen tatsächlichen Aufenthalt im Bereich der Untersuchungshaft begründet. Für die Zeit der Untersuchungshaft bestehe daher ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem beigeladenen überörtlichen Träger.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im gesamten Zeitraum im Gebiet der Klägerin beibehalten. Trotz der Zwangsräumung sei es objektiv möglich gewesen, ein neues Mietverhältnis in dem Gebiet der Klägerin zu begründen. Die Bindung an das Stadtgebiet habe sich in den Jahren vor der Untersuchungshaft so verfestigt, dass sie dieses als ihren Lebensmittelpunkt empfunden habe und stets ein Rückkehrwille bestand.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Klägerin während der Untersuchungshaft nicht verloren. Auch eine sehr lange Untersuchungshaft beende regelmäßig nicht einen gewöhnlichen Aufenthalt, da diese Haftform nach ihrem Zweck und der gesetzlichen Ausgestaltung immer vorrübergehend sei. Auch die Zwangsräumung spreche nicht für eine Ausnahme. Grundsätzlich bestand ein realistischer Rückkehrwille der Mutter. Die Untersuchungshaft hätte zu jedem Zeitpunkt beendet werden können. Spätestens jedoch mit Antritt der Strafhaft habe die Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Bereich der Beklagten verlegt. Eine Rückkehrmöglichkeit sei ab diesem Zeitpunkt unrealistisch gewesen. Hierfür spreche der lange Zeitraum der Strafhaft sowie die erfolgte Zwangsräumung.
Damit habe die Klägerin zwar grundsätzlich einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89c SGB VIII gegenüber dem Beklagten, welchem jedoch der gegenläufige Kostenerstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 89e SGB VIII entgegenstehe. Eine Kostenerstattung, die unverzüglich rückgängig zu machen wäre, ist nicht statthaft.
Ersetzung der Zustimmung zu einem psychologischen Gutachten
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 4. September 2020
Az. II 2 UF 154/20
Ein Vater wurde alleiniger Inhaber des Sorgerechts für seine Kinder, nachdem die Mutter im Jahr 2016 gestorben war. Im Dezember 2017 beantragte das Jugendamt die Entziehung des Sorgerechts. Im familiengerichtlichen Verfahren holte das Gericht ein psychologisches Gutachten über die Verfassung der Kinder ein. Der Antrag des Vaters auf Ablehnung der Sachverständigen wegen Befangenheit blieb erfolglos.
Im Juni 2020 veranlasste das Familiengericht eine Ergänzung des Gutachtens mit der Frage, ob eine Neubewertung aufgrund der vergangenen Zeit geboten sei. Weil der Vater die psychologische Begutachtung durch die Sachverständige erneut ablehnt, ersetzte das Familiengericht gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 5 Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Zustimmung des Vaters.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindsvaters hat Erfolg. Zwar sei die Ersetzung einer verweigerten Zustimmung eines sorgeberechtigten Elternteils zu einer psychologischen Begutachtung eines Kindes zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB grundsätzlich möglich. Es sei jedoch in dem konkreten Fall nicht ausgeschlossen, dass die Sachverständige auch ohne eine weitere psychologische Begutachtung der Kinder ausreichende Informationen über eine mögliche Veränderung der Situation gewinnen könne. Eine gerichtliche Anhörung der Kinder in Anwesenheit und unter Mitwirkung der Sachverständigen sei auch gegen den Willen des Vaters möglich. Eine solche Anhörung könne möglicherweise bereits genügend Erkenntnisse liefern, weshalb sie zunächst unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als milderes Mittel gegenüber einer Ersetzung der Zustimmung des Kindsvaters gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB geboten war.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm
Kostenbeteiligung trotz langer Dauer des Widerspruchsverfahrens
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. Januar 2021
Az. 3 D 15/20
Dem Vater eines im Jahre 2000 geborenen Sohnes wurde seit 2007 Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII gewährt. Über die Kostenbeitragspflicht war er vor Leistungsbeginn informiert worden und auch darüber, dass er sein Einkommen nachzuweisen habe. Im Januar 2014 forderte das Jugendamt den Vater zum Nachweis seines Einkommens für das Jahr 2013 auf. Der Aufforderung kam der Vater nach.
Das Jugendamt setzte sodann im Juni 2014 einen Kostenbeitrag für den Zeitraum 1. Januar bis zum 3. Dezember 2013 durch Bescheid fest. Einen Monat später legte der Vater hiergegen Widerspruch ein. Erst im Juni 2016 setzte das Jugendamt den Kostenbeitrag für den Zeitraum vom 4. bis zum 31. Dezember 2013 und ab dem 1. Januar 2014 fest. Fast drei Jahre nach Einlegung des Widerspruchs erließ die Beklagte im April 2017 einen Widerspruchsbescheid, in welchem der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid von Juni 2014 zurückgewiesen wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Vater Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe teilweise abgelehnt, sodass der Kläger auch hiergegen Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht einlegt hat.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Bescheid von Juni 2014 sei rechtmäßig. Auch der Umstand, dass mit dem Bescheid von Juni 2016 eine Festsetzung für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum des Jahres 2013 erfolgte, sei nicht zu beanstanden. Die nach § 92 Abs. 2 SGB VIII vorgesehene Heranziehung schließe eine Festsetzung für die Vergangenheit nicht aus. Zwar müsse die Leistungsfestsetzung nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alsbald erfolgen. Dies sei jedoch nicht anhand einer starren zeitlichen Grenze, sondern anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Der Betroffene solle nicht unnötig lang über das Bestehen oder Nichtbestehen seiner Beitragspflicht im Unklaren gelassen werden. Dies sei hier nicht der Fall, weil der Vater mit einer entsprechenden Festsetzung der Beträge habe rechnen müssen. Zudem habe die lange Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht zu einer Verwirkung des Anspruchs der Beklagten geführt. Hierfür fehle es an dem notwendigen Umstandsmoment, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Anlass zur begründeten Hoffnung gegeben habe, auf die weitere Durchsetzung der Forderung zu verzichten.
Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts
Kostenübernahme für selbstbeschafften Internatsplatz
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 21. Januar 2021
Az. M 18 E 20.6374
Die minderjährige Antragstellerin lebte seit dem Jahr 2015 bei ihrer Tante in Vollzeitpflege, die im Jahre 2017 nach dem Tod der Mutter auch die Vormundschaft übernahm. Die Antragstellerin befindet sich seit ihrer Kindheit in psychiatrischer Behandlung und nimmt Medikamente gegen ADHS. Sie wechselte mehrfach die Schule und besuchte zuletzt eine Wirtschaftsrealschule mit Nachmittagsbetreuung. Wegen der Corona-Pandemie wurde an der Schule in den Jahren 2020 und 2021 die Nachmittagsbetreuung und der Sportunterricht eingestellt. Die Psychiaterin der Antragstellerin diagnostizierte bei dieser seit Beginn der Pandemie eine beginnende Depression. Sie habe außerhalb der Schule keine Freunde und leide unter einer sozialen Phobie. Seit dem Lockdown hatten sich die Ängste der Antragstellerin verschlimmert, sodass sie nur noch für die Schule das Haus verließ. Die Tante stellte daraufhin einen Antrag beim Jugendamt auf Kostenübernahme einer Unterbringung in einem Internat mit Nachmittagsbetreuung und Sportunterricht, der bis zum Schuljahresbeginn im September 2020 unbeantwortet blieb. Sie brachte die Antragstellerin daher selbst dort unter. Im November 2020 lehnte das Jugendamt den Antrag ab.
Sodann beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, den Antragsgegner zur vorläufigen Übernahme der Internatskosten zu verpflichten.
Das Verwaltungsgericht hat den öffentlichen Träger der Jugendhilfe im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII verpflichtet, die Kosten für den Internatsplatz zu übernehmen. Die Kosten einer selbstbeschafften Hilfe sind danach zu übernehmen, wenn der Leistungsberechtigte den öffentlichen Träger zuvor in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und die Deckung des Bedarfs bis zu einer behördlichen Entscheidung über die Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Versage das Hilfesystem, weil das Jugendamt gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht anforderungsgerecht über den Antrag einer begehrten Hilfeleistung entschieden hat, dürfe der Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschaffen. Für die Auswahl der Leistung kommt ihm ein eigener, gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
Aufgrund des seelischen Zustands und der zunächst ausbleibenden Entscheidung des Jugendamts habe die Tante die Antragstellerin selbständig im Internat unterbringen dürfen. Das öffentliche Schulsystem sei im Gegensatz zu dem Internat aus der Perspektive der Tante nicht bedarfsgerecht gewesen. Die spätere Ablehnung sei fachlich nicht vertretbar gewesen.
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