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26. Februar 2021
Corona-Krise trifft Alleinerziehende besonders hart
Durch den Lockdown fühlen sich Alleinerziehende mehr denn je am Limit. Die Corona-Krisen-Hotline des VAMV NRW leistet Erste Hilfe.

Ein Gastbeitrag von Anja Stahl, Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV), NRW

Die Anzahl Alleinerziehender hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Fast jede 5. Familie in Deutschland ist mittlerweile eine Einelternfamilie. Immer wieder rückt diese Familienform in den Fokus der Familienpolitik. Ein Thema, das dabei besonders präsent ist, ist die Armutsgefährdung von Einelternfamilien und damit auch das Thema Kinderarmut. Mehr als die Hälfte der Familien, die SGB II- Leistungen erhalten (53%), sind alleinerziehend (vgl. Funcke/Menne 2020). Kinderarmut ist daher zur Hälfte die Folge einer prekären Situation von Alleinerziehenden.

Besonders deutlich wird die finanziell angespannte Situation vieler Alleinerziehender bei der Betrachtung der durchschnittlichen Nettoeinkommen. Eine alleinerziehende Mutter in Deutschland hatte im Jahr 2017 durchschnittlich 1873 Euro Haushaltseinkommen (inkl. aller Transferleistungen) zur Verfügung. Eine Paarfamilie verfügte zur gleichen Zeit über durchschnittlich 4094 Euro pro Monat (vgl. VAMV NRW 2019).

Ein niedriges Haushaltseinkommen und die häufige Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung zeigt sich in der hohen Armutsgefährdungsquote von Alleinerziehenden, die in den vergangenen Jahren stetig angestiegen ist. Sie lag in NRW im Jahr 2017 bei 48%. 2007 lag der Wert noch bei 40%. Bei Paarfamilien mit einem Kind lag diese bei etwa 13%.

Um das Armutsrisiko zu minimieren, ist das Erwerbseinkommen und damit auch der Umfang der Erwerbstätigkeit entscheidend. Diese Tatsache betont auch der kürzlich erschienene Familienreport 2020 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (vgl. BFSFJ 2021: 106).

Erwerbstätigkeit alleinerziehender überdurchschnittlich hoch

Alleinerziehende weisen dabei grundsätzlich eine hohe Erwerbsorientierung auf. Sie arbeiten durchschnittlich mehr und weisen eine höhere Erwerbstätigenquote auf, als Mütter aus Paarfamilien. In Deutschland waren 2017 70% der Alleinerziehenden erwerbstätig. Von den nicht berufstätigen Alleinerziehenden würden drei Viertel gern eine Arbeit aufnehmen (vgl. ebd.: 58).

Allerdings sind Alleinerziehende häufiger befristet beschäftigt als Mütter aus Paarfamilien und sie arbeiten öfter unter ihrem Qualifikationsniveau. Gleichzeitig arbeiten sie häufiger zu atypischen Arbeitszeiten. Da Alleinerziehende die alleinige Verantwortung für das Familieneinkommen tragen, ist eine Vollzeitstelle meist eine Voraussetzung, um dem Armutsrisiko zu entgehen (vgl. Tophoven et al. 2018). Dies ist für viele Alleinerziehende aber nur schwer möglich, da häufig die Arbeitszeiten nicht mit den Betreuungszeiten korrelieren und kurzfristige Ausfälle, wie Krankheiten oder Schließtage, nur unter größter Anstrengung zu meistern sind.

Unterstützungsstrukturen Alleinerziehender werden durch Lockdownmaßnahmen aufgebrochen

Wie wichtig eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur ist, haben alle Familien zu spüren bekommen, als im März 2020 Kitas und Schulen geschlossen wurden. Auch 2021 ist diese Herausforderung weiter präsent. Das Problem der Kinderbetreuung wurde und wird ins Private verschoben. Hinzu kommen bei vielen finanzielle Einbußen sowie wenig Entlastungsmöglichkeiten durch die Kontaktbeschränkungen.

Paarfamilien können diese Last auf zwei Schulterpaaren verteilen. Viele Alleinerziehende dagegen stehen vor der Situation, ohne jegliche Unterstützung Arbeit, Kinderbetreuung und Alltag managen zu müssen.

Corona-Krisen-Hotline des VAMV leistet Hilfestellung

Aus diesem Grund hat der VAMV NRW seit 30. März 2020 eine Corona-Krisen-Hotline für Alleinerziehende geschaltet. Mit Unterstützung des nordrhein-westfälischen Familienministeriums bietet der VAMV NRW seither eine telefonische Beratung an, um in dieser Ausnahmesituation eine erste Hilfestellung zu geben. Eine der häufigsten Fragestellungen im Laufe des letzten Jahres war: „Welche finanziellen Leistungen stehen mir zu, wenn ich nicht arbeiten kann, da die Schule geschlossen ist oder mein Kind in Quarantäne muss“. Hier gibt die Hotline einen Überblick über die bestehenden Regelungen: Wann greift die Lohnfortzahlung nach dem Infektionsschutzgesetz oder wie können die zusätzlichen Kinderkrankentage beantragt werden. Aber auch bei psychosozialen Anliegen, wie Überlastungen oder Ängsten ist die Hotline ansprechbar. Bei Bedarf wird auf lokale Hilfestrukturen verwiesen und Ansprechpartner*innen vor Ort ermittelt, die eine langfristige Begleitung ermöglichen. Bei den Anliegen der Anrufer*innen wird deutlich, dass die Lockdownmaßnahmen in einer ohnehin angespannten Situation zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen, die zum Teil nicht mehr selbst bewältigt werden können.

Die ständige Unsicherheit, wie die nächsten Wochen verlaufen werden, die eingeschränkten sozialen Kontakte und nicht zuletzt der wachsende finanzielle Druck führen zu enormen Belastungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der Hauptthemen der Hotline. Gleichzeitig Kinder betreuen, unterrichten und den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein Spagat, der nicht gelingen kann.

Appell an die Politik

Familien und insbesondere Alleinerziehende müssen dringend stärker in den Blick der Politik genommen werden. Die Auswirkungen der Krise spüren jene, die es schon vor der Krise schwerer hatten, deutlich stärker. Insbesondere die finanziellen Auswirkungen für Menschen mit niedrigem Einkommen verschärfen die Einkommensungleichheit in einem zunehmenden Maße. Der finanzielle Druck vieler Alleinerziehender und die damit einhergehenden Probleme, wie Kinderarmut, eine drohende Altersarmut oder gesundheitliche Belastungen, drohen mit der Krise deutlich zuzunehmen. Sie benötigen auch über die Krise hinaus mehr Unterstützung in Form einer Kindergrundsicherung, einer flexiblen und bedarfsgerechten Kinderbetreuung und Beratungsangeboten vor Ort.

Literaturverweise

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Familie heute. Daten. Fakten. Trends, Familienreport 2020. Berlin 2021.

Funcke, Antje und Sarah Menne (2020): Factsheet Kinderarmut in Deutschland, Bertelsmann Stiftung: Gütersloh.

Tophoven, Silke, Torsten Lietzmann, Sabrina Reiter und Claudia Wenzig (2018): Aufwachsen in Armutslagen. Zentrale Einflussfaktoren und Folgen für die soziale Teilhabe, Bertelsmann Stiftung: Gütersloh.

Verband allein erziehender Mütter und Väter Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. (VAMV NRW): Alleinerziehend – Situation und Bedarfe. Aktuelle Studienergebnisse zu Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland, Essen 2019.

Factsheet Kinderarmut, Bertelsmann Stiftung
Aufwachsen in Armutslagen, Bertelsmann Stiftung
Verband allein erziehender Mütter und Väter Landesverband NRW (VAMV NRW)

Über den LVR:

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